Verdroschenheit

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My former class mate who takes creative writing classes has a new short story called “Verdroschenheit”.

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Verdroschenheit

Der Spielplatz war leer. Das Mädchen ging durch den Sand zum metallenen Klettergerüst, benutzte die rote Leiter und versuchte von der Leiter aus ihre Beine seitlich über die grüne Querstange zu heben.

Sie hatte schon oft versucht sich einfach an die grüne Querstange zu hängen und dann die Beine hochzuschwingen. Aber der Schwung reichte nicht. Die grüne Querstange war hoch. Daher die Leiter. Die blaue Querstange daneben war niedriger, dort hätte sie vielleicht die Beine noch mit einen Schubs vom Boden aus heben können. Aber das Mädchen traute sich nicht, sich an die blaue Querstange zu hängen. Die Schweissnaht an der rechten Seite war rostig und es waren schon kleine Löcher zu sehen. Also die grüne Querstange.

Ein Knie in die grüne Querstange zu hängen war nicht so schwer, aber für das zweite Knie musste sie mit den Armen an der Leiter hängend den Oberkörper stark verdrehen und dann das zweite Bein irgendwie bis zur Querstange hochheben. Sie hatte das schon ein paarmal heimlich, wenn der Spielplatz leer war, geübt. Trotzdem hatte sie noch keine gute Methode gefunden. Es war schwierig das zweite Bein so hochzuheben, dass es vorher nicht irgendwie hängenblieb. Und wenn der Oberkörper an den Armen hing, dann reichte die Kraft nicht lange. Bisher hatte sie dann immer wieder schnell, aber rechtzeitig, das zweite Bein zurück auf die Leiter gestellt und dann das erste Bein wieder von der Querstange abgenommen. Auch diesmal wollte sie sich wieder auf die Leiter zurückstellen. Das zweite Bein suchte gerade die Sprossen, als plötzlich von hinten spitze Fingernägel an ihrem Bein kratzten bis die dazugehörigen Hände sie packten und von der Leiter zogen. Sie fiel übel in den Sand. Sybille. Sie hatte sie nicht kommen gehört. Sie musste sich angeschlichen haben. Sybille blickte sie wütend an. “Du weisst, dass Du nicht auf das Klettergerüst darfst.” Sybille war mit einigen der Kinder aus der “Hundegruppe” befreundet.

Die Hundegruppe. Das Mädchen nannte die Gruppe “Hundegruppe”, weil sie oft Hunde bei sich hatten. Die Hundegruppe war gottseidank selten hier auf diesem Spielplatz, der direkt vor ihrem Hochhaus lag. Hinter dem Spielplatz gegenüber vom Hochhaus waren langegezogene Häuserblöcke, die senkrecht zur Hauptstrasse standen. Die Hauptstrasse führte nach Westen. Das Revier der Hundegruppe war eher weiter hinten entlang der Hauptstrasse, also so ab dem dritten und vierten Häuserblock. Das Mädchen war einmal versehentlich in das “Revier” der Hundegruppe geraten und dann nie wieder.

Als das passierte hatte sie eigentlich zu einer Schulkameradin gehen wollen und hätte dazu den Weg zwischen dem zweiten und dritten Häuserblock nehmen müssen, aber sie hatte geträumt. Sie war zu spät abgebogen und plötzlich war sie im Revier der Hundegruppe. Die Kinder aus der Hundegruppe saßen auf dem Rasen neben dem Weg zwischen den Blöcken und fingen sofort an zu brüllen: “Verpiss Dich! Verpiss Dich!”. Das Mädchen ging vorsichtig ohne zur Gruppe zu gucken weiter den Weg entlang und an der Gruppe vorbei. Hätte sie hingeguckt, dann hätten die Kinder gewusst, dass sie, sie sehr wohl verstanden hatte. Für die Kinder war ihr Vorbeigehen nicht schnell genug. “Hau ab Du! Renne!” schrien die Kinder. Das Mädchen fiel in leichten Trab. “Felix fass!” hörte sie von hinten und das Mädchen rannte jetzt so schnell sie konnte. Der Hund war nicht gross, aber schneller als sie. Sie hörte ihn hinter sich hecheln. Als er sie erreichte schnappte er mit seinen spitzen Eckzähnen tief in ihre Wade. Sie schrie vor Schmerzen und versuchte aber weiterzurennen und vorallem nicht zu stolpern. “Felix!” rief nun einer. Der Hund lies seinen Biss los und wollte gleich noch einmal zuschnappen, traf aber nicht. Mit ihrem Bein hatte sie ihn ein wenig zur Seite geschleudert. Sie rannte weiter und irgendwann war sie um den Häuserblock herum gerannt und humpelte schluchzend nach Hause. Als die Mutter abends nach Hause kam war die Wunde schon vereitert und sie mussten in die Notaufnahme fahren. Die Wunde eiterte noch lange nach und die Narben hatte man dann noch 20 Jahre später gesehen.

Sybille also. Sybille war nicht Teil der Hundegruppe. Sie kannte aber einige der Kinder da seit neuestem wohl besser. Das Mädchen hatte Sybille mit einem von der Gruppe sprechen sehen. Sybille gehörte zu der Kindergruppe hier auf diesem Spielplatz vorm Hochhaus – auch wenn sie nicht im selben Haus wie das Mädchen wohnte. Das Mädchen wusste nicht, ob Sybille bei der Hundegruppe gesessen hatte, als das mit dem Hund passiert war. Es waren zu viele Kinder und sie hatte nicht hingucken können. Die Mutter hatte Sybille gefragt, ob sie wusste wer das mit dem Hund gewesen war, aber Sybille wusste von nichts. Das Mädchen und die Mutter hatten nie den Hundehalter gefunden.

Das Mädchen hatte sich mit Sybille schon des öftern leicht geprügelt. Sybille musste dabei immer kratzen. Ein Kampf mit ihr fing fast immer damit an, dass Sybile mit ihren Fingernägeln einfach so auf das Mädchen zukam und sie am Arm oder der Hand kratzte und das Mädchen versuchte sie davon abzuhalten. Das Mädchen hasste Kämpfe. Sie versuchte sich normalerweise besonders von Sybil fernzuhalten. Bei Rangeleien mit Jungen wurde nicht gekratzt- das war gegen die Ehre. Aber bei Sybille galt diese Regel nicht. Im Gegenteil es schien sie kratzte eher absichtlich heftig. In den Kämpfen kratzte das Mädchen nie zurück und rief immer, “Kratzen ist gegen die Ehre” in der blöden Hoffnung, dass Sybille irgendwann zumindest mit dem Kratzen aufhörte. Das tat sie aber nicht. Das Kratzen hinterlies nicht nur lange rote Spuren und manchmal Blut, sondern konnte auch zu Fragen seitens der Eltern oder manchmal sogar der Lehrer führen. Offensichtlich hatte Sybille da nichts zu befürchten. Sie wurde ja auch nicht gekratzt. Zumindest nicht vom Mädchen.

Die meisten Kinder auf dem Spielplatz und eben auch Sybille waren schon immer eher feindselig zu dem Mädchen gewesen. Sie war später zugezogen, sprach nicht ihren Dialekt und wenn sie plump auf dem Gerüst rumkletterte machten sich viele Kinder über sie lustig. Die Kinder, die das vielleicht nicht so lustig fanden blieben zumindest still. Das Mädchen hatte am Anfang versucht so zu tun, als bemerke sie die Feindseligkeit nicht und versuchte besonders freundlich zu sein. Sie musste zurechtkommen, die Stadtbibliothek hatte nicht immer offen und die Eltern wollten sie aus der Wohnung haben. Das Mädchen war nach Meinung der Eltern schon viel zu sehr “Stubenhocker”. Seit die Kinder auf dem Spielplatz aber gehört hatten, dass sie auf das Gymnasium gehen würde, war alles schlimmer geworden. Bernhard, Stefan, Felix und Uwe, die vier stärksten hatten ihr dann irgendwann verboten auf den Spielplatz zu gehen und Sybille wusste davon.

Das Mädchen lag immer noch im Sand und Sybille stupste sie mit dem Fuss an. Plötzlich tauchte Berhard am hinteren Rand des Spielplatzes auf und rief: “Was ist denn hier los?” Das Mädchen wollte ablenken und rief zurück:”Die blaue Querstange ist kaputt, sie wird bald abbrechen, man müsste den Hausmeister informieren.” Sybille sagte warnend: “Wenn Du nicht gleich abhaust, dann macht Dir die blaue Querstange gleich blaue Flecken” und kletterte schnell auf die blaue Stange. Sie hatte wahrscheinlich vor gehabt hinab, neben, oder auf das Mädchen zu springen. Die blaue Stange aber löste sich tatsächlich an der Schweissnaht, bog sich nach unten und Sybille sprang nicht, sondern fiel in den körnigen Sand. Ihre Wut war nun grenzenlos. Sie stiess sich hoch und stürzte sich auf das Mädchen, schlug auf sie ein und kratzte sie heftig. Das Mädchen wehrte sich.

Das Mädchen hatte sich in den letzten zwei Jahren etwas Speck angefuttert und schaffte es nach einiger Zeit, sich auf Sybilles Bauch zu setzen und auf Sybilles Armen zu knien. “Bernhard!” schrie Sybille. Bernhard war nicht mehr da, er war wohl kurz durchs Gebüsch gegangen und hatte nach ein paar anderen Jungs geguckt. Nun aber hörter er Sybilles Rufen und lief er zurück zu den kämpfenden Mädchen. “Bernhard!”.”Hör auf zu kratzen!” sagte das Mädchen zu Sybille und blickte ihr in die Augen. Sie kniete immer noch auf Sybilles Armen. Sybille sagte nichts. Sie war weiss vor Wut, konnte sich aber nicht befreien. Das Mädchen war zu schwer. So schrie sie noch einmal “Bernhard!” Bernhard war nun bei ihnen und stürzte sich auf die beiden. Er stiess das Mädchen mit der Wucht seines ganzen Körpers von Sybille und zwar so dass das Mädchen fast in die Büsche fiel, die als Spielplatzberandung dienten. Sybille war sofort wieder auf den Beinen, trat das Mädchen, schmiss sich auf sie und drückte das Mädchen noch weiter in die Büsche, bis zu den Heckenrosen. “Hau endlich ab!”, sagte sie zu dem Mädchen. Die Heckenrosen kratzen noch viel schlimmer als Sybille. Das Mädchen schaffte es sich halbwegs wieder aufzurichten und kroch weg von Sybille und Bernhard. Sie schaffte es mit einigen Kratzern durch ein kleines Loch in der Hecke zu entkommen. Sie hörte Sybille noch rufen: “Bernhard wir sollten Felix holen”. Dann rannte sie weiter – zurück ins Haus, die Treppenstufen hinauf und rein in die Wohnung.

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Verdroschenheit

The playground was empty. The girl went through the sand towards the metallic monkey bars. She used the red ladder and while standing on the ladder she tried to lift her legs over the green crossbar.

She had often tried to just hang onto the green crossbar and swing up her legs. But there was not enough momentum. The green crossbar was high up. Therefore the ladder. The blue crossbar right next to it was lower and perhaps she could have swung her legs up there. But the girl didn’t dare to dangle on the blue bar. The weld seam was rusty on the right side and there were already small holes to see. So the green crossbar.

Mounting one knee on the green crossbar was not too difficult, but for the second knee she had to tightly twist her upper body while clinging to the ladder and then lift her second leg up to the bar. She had tried that a couple of times when the playground was empty. However she hadn’t found a good way to get onto the green bar with both of her legs. It was difficult to lift the second leg in such a way that it didn’t get stuck beforehand. And when the upper body was dangling on her arms her forces were waning fastly. But up to now she had always managed to put the second leg back onto the ladder right in time and then move the first leg back from the bar. And this time as well she wanted to step back onto the ladder. The second leg was already groping for the rungs, when out of a sudden pointy finger nails scratched at her legs until their corresponding hands teared her from the ladder. She fell badly into the sand. Sybil. She hadn’t heard her coming. She must have sneaked up to her. Sybil looked at her angrily. “You know that you are not allowed onto the monkey bars.” Sybil was friends with some of the children from the “dog group”.

The dog group. The girl called the group the “dog group” because they often had dogs with them. Luckily the dog group was not too often on this playground here, which was right in front of the high-riser she lived in. Behind the playground, opposite to the high-riser, there were long drawn-out housing blocks, which were situated perpendicular to the main street. The main street led westward. The dog groups territory was further down the main street, approximately after the third or fourth block. The girl once blundered into the dog groups “territory” and then never again.

When that happened she had actually wanted to visit a school mate and for this she should have taken the way between the second and third block, but she had dreamed away. She had taken the turn too late and accidentally found herself in the dog groups territory. The children of the dog group sat on the lawn right next to the way between the blocks and immediately started yelling: “Piss off! Piss off!”. The girl proceeded cautiously on the way and passed by the kids. If she would have looked at them, the kids would have known that she had heard them. For the children her passing by was too slowly. “Hit the road! Run!” the children yelled. The girl fell into a light trott. “Felix attack!” she then heard from behind and the girl started now to run as fast as she could. The dog was not big, but faster than her. She heard him panting behind her. When he reached her, he snapped shut with his pointy canine teeth – deeply into her calf. She was screaming in pain but tried to run on and in particular tried not to stumble. “Felix!” someone was shouting now. The dog let go his bite but then tried to snap shut again. With her leg she had skidded him away a bit. She ran further and at one point she was around the block and hobbled home sobbing. The wound was already pus-filled when the mother came home in the evening and so they had to go to the emergency room. The wound kept suppurating for quite a time and the scar could be seen even 20 years later.

So Sybil. Sybil was not part of the dog group. But since lately she had apparently got to know some of the children there. The girl had watched her talking to to one of the group. Sybil belonged to the children group here in front of the high-riser even if she didn’t live in the same house as the girl. The girl didn’t know wether Sybil had been with the dog group kids when that thing with the dog happened. There were too many kids and she didn’t dare to look at them. The mother had asked Sybil, whether she knew who was in charge of the dog, but Sybil knew nothing. The girl and the mother had never found out about the dog owner.

Once in a while the girl had fights with Sybil. Sybil then always needed to scratch. A fight with her almost always started with Sybil approaching the girl with her long finger nails, starting to scratch her at her arm or hands and the girl trying to keep her off. The girl hated fights. She was usually trying to get especially out of Sybils way. There was no scratching in fights with the boys – this was against “dignity”. But for Sybil this riule seemed to play no role. On the contrary she seemed to scratch deliberately fierceful. During fights the girl never scratched back and kept always shouting “Scratching is against dignity!” while sticking to this stupid hope that Sybil would at some point at least stop scratching. But she didn’t. The scratching was not only leaving long red traces and sometimes blood but it could also lead to questions on the side of parents and sometimes even teachers. Apparently Sybil had nothing to fear here. But then she wasn’t scratched. At least not by the girl.

The children on the playground and in particular Sybil had always been rather hostile towards the girl. She had moved here later, she didn’t speak their dialect and when she clumsily climbed on the monkey bar many the children were making fun of her. At least children who eventually did think this wasn’t funny kept silent. Initially the girl tried to pretend that she didn’t notice the hostility and tried to be especially friendly. She had to get around, the public library was not always open and the parents wanted to get her out of the appartment. In the parents opinion she was already way too much a stay-at-home. But when the children had heard that she had been admitted to academic high school everything got worse. At one point Bernhard, Stefan, Felix and Uwe, the four strongest had forbidden her to enter the playground and Sybil knew that.

The girl was still laying on the sand and Sybil nudged her with her foot. Suddenly Bernhard showed up at the fringe of the playground and shouted: “Whats going on here?!”. The girl wanted to sidetrack and shouted back: “The blue crossbar is damaged, it will break off soon, one has to inform the house keeper.” Sybil said warningly:”If you don’t run off immediately then the blue bar will make you blue marks” and she climbed fastly onto the blue bar. She probably wanted to jump down, next to, or onto the girl. But the blue bar really detached from its weld seam, bent down and Sybil didn’t jump but fell into the grainy sand. Her rage was now abysmal. She pushed herself up and jumped onto the girl, beat her and started heavily scratching her. The girl put up the fight.

The girl had put on some weight in the last two years and so she finally managed to sit on Sybils belly and kneel on her arms. “Bernhard! Sybil shouted. Bernhard wasn’t there anymore, he had probably gone shortly into the bushes to look for the other boys. But now he heard Sybils shouts and ran back to the fighting girls. “Bernhard!”. “Stop scratching!” the girl said to Sybil and looked into her eyes. She was still kneeling on her arms. Sybill didn’t say anything. She was pale white with anger, but couldn’t free herself. The girl was too heavy. So she shouted again: “Bernhard!” Meanwhile Bernhard had reached the girls and jumped at both of them. With the full momentum of his body he pushed the girl away from Sybil in such a way that she almost fell into the bushes, which were curbing the playground. Sybil got quickly back on her feet, kicked the girl with her feet and pushed the girl further into the bushes towards the dog roses. “Fuck off!” she warningly said to the girl. The dog roses where scratching even more badly than Sybil. The girl managed to get up a little and to crawl away from Sybil and Bernhard. She escaped through a little hole in the dog rose hedge. She heard yet Sybil shouting “Bernhard we should get Felix!” Then she ran off – back to the house, up the stairs and into the appartment.

One Response to “Verdroschenheit”

  1. Dr. Trenk-Wiesenbach Says:

    What a story. -One can only hope that those kids don’t get weapons into their hands!

    On the other hand I am not sure how fictional that story is.

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